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AutorenbildInes Koßmagk

Einen schönen Alltag noch!

Aktualisiert: 10. Dez. 2020


Schon recht oft bemerkte ich Irritation, wenn ich mit Menschen sprach und sie den Begriff „Alltag“ verwendeten, und ich fragte mich, was genau sie wohl damit meinten. Mir ist auch aufgefallen, dass ich das Wort selbst fast nie verwende. Habe ich denn keinen Alltag?


Lebst Du noch - oder hast Du Alltag?

So fing ich an, mich mehr dafür zu interessieren, weil ich eine Art Verleugnung witterte und meine Gesprächspartner darauf hinweisen wollte. Es klang, als wollten sie eine bestimmte Zeit abgrenzen gegen eine andere. Wenn Alltag die eine Zeit ist, was ist dann die andere? Grenzen sie Alltag ab vom Rest des Lebens oder vom echten Leben?

Manchmal kam der Alltagsbegriff auch in entschuldigender oder rechtfertigender Funktion zum Einsatz: „Im Alltag bekomme ich das nicht hin.“ Wenn ich nachfragte, was genau sie mit Alltag meinten, gerieten sie ins Stocken und guckten mich an, als müsste ich doch wissen, was sie meinen. „Na, Alltag halt!“ - was wenig erklärte…


Bei hartnäckigerem Nachfragen dann wurde klar, sie meinten das tägliche Einerlei, die Routinen, Rhythmen, Pflichten: die Versorgung der Kinder oder Tiere, die Arbeitszeit, Haushaltsführung. Die immer gleichen Abläufe, die Arbeiten, die nie dauerhaft erledigt sind, sondern scheinbar in alle Ewigkeit sich wiederholen. Scheinbar!


Ich entdecke tatsächlich einen kleinen Schmerz in mir, wenn jemand von Alltag spricht und damit meint: mein fremdbestimmtes Leben, die Tätigkeiten, auf die ich keine Lust habe, die sonst keiner macht, mich um andere kümmern müssen, funktionieren müssen, meine eigentlichen Sehnsüchte und Wünsche parken und auf später oder nie verschieben. Ich höre da oft: Ich will das Leben, das ich lebe, nicht leben. Ich will den Alltag (der mindestens von Montag bis Freitag reicht) nicht. Eigentlich will ich ganz anders leben. Vielleicht bleibe ich an diesem Schmerz im anderen hängen, will ihn davon befreien oder zumindest darauf hinweisen, dass er da ist und nicht sein müsste.


Monster Alltag

Manchmal bekommt der Alltag gar die Rolle eines übermächtigen Monsters zugeschrieben, das Träume, Präsenz, Liebe und Zärtlichkeit auffrisst. Alles muss schnellstmöglich erledigt sein, vieles geht fast im Multitasking-Autopilot-Modus.

Doch verbringst Du ja diese Zeit zum Großteil in Deinem Raum, mit Deinen Lieben, ja, auch mit Arbeit, die das ermöglicht. All die Fürsorge für den Raum, Dich selbst und Deine Nächsten – siehst Du das wirklich nur als Pflicht, Dich selbst als zombiehaft funktionierende Gestalt?

Wenn Dich diese Zeilen ansprechen, dann nimm Dir doch mal Zeit aufzuschreiben, was Dein Monster Alltag alles aufzufressen droht. Sicher wirst Du dann mit einem Schmerz oder einer Sehnsucht in Berührung kommen. Was genau ist der Verlust, den Du spürst: Lebendigkeit? Freude? Liebe? Bedeutung? Freiheit?

Und dann versuch einen Perspektivwechsel. Wie viel Macht möchtest Du der scheinbaren Fremdbestimmung geben? Kannst Du sehen, dass genau DAS Dein Leben ist – und wo siehst Du Gestaltungsmöglichkeiten? Welche Veränderungen kannst Du bewusst wahrnehmen oder herbeiführen… denn natürlich ist kein einziger Tag wie der andere!


Abenteuer Alltag

Werde experimentierfreudig und abenteuerlicher in Deinem „Alltagsflow“, komm raus aus dem Opfer. Mach ne Heldengeschichte draus, wenn‘s Dir Spaß macht. Spaß muss nicht verlagert werden auf wenn-alles-erledigt-ist. Das wäre ja fast nie!


Entdecke Neues im scheinbar immer Gleichen, entdecke Dich und Deine Kinder neu oder stell was um – in der Wohnung oder in der Küche – oder in Dir!


Sing beim Abwasch oder tanz beim Aufräumen, bring Deinen Frust in Bewegung und Ausdruck, übertreibe und erlaube, stecke an mit so kleinen Verrücktheiten. Denn vielleicht ist Dein Alltagsmonster eher eins der Langeweile, ganz grau?


Möglicherweise geht es nach und nach mit mehr Humor, und Dein Alltagsmonster wird kleiner und niedlicher.


Wie willst Du Dein Leben (er)leben?

Zurück zu ernsterer Betrachtung... Wenn der Kern des Begriffes Alltag war, dass es eine gewisse Eintönigkeit gibt, sich wiederholende Tätigkeiten, Zeitvorgaben durch Termine und systembedingte Umstände, wie viel Spielraum gibt es für die Qualität Deines Erlebens?

Statt Wiederholungen und Rhythmen als langweilig zu bewerten, kannst Du auch Halt an ihnen erfahren. Routinen sind Energiesparer, und durch Routine wird Aufmerksamkeit für anderes frei. Sonst könntest Du auch nicht Auto fahren und gleichzeitig tiefen Gedanken nachgehen.

Statt auf den Abwaschberg zu schimpfen, könntest Du das Ritual mögen, das Hab und Gut wieder sauber und aufgeräumt zu wissen, die Fürsorge und Liebe darin wertschätzen. Das hat auch mit Demut und Hingabe zu tun. Ich glaube, wie Du Deinen Alltag erlebst, hängt viel mehr davon ab, wie Du ihn betrachtest, statt was genau passiert.


Also wenn Du sagst, so willst Du Dein Leben eigentlich nicht leben, wie dann?










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